22. November 2018
Staatsanwaltschaft München II
Arnulfstr. 16
80335 München
Betr.: Das unmenschliche Verhalten gegenüber dem sterbenden Gefangenen Horst Mahler
Wie Ihnen sicherlich bekannt, liegt der wegen seiner gewaltfreien Meinungsäußerungen zu zwölf Jahren Gefängnis verurteile 83-jährige Horst Mahler in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg a. d. Havel im Sterben. Die von den gleichgeschalteten Medien verschwiegene grausame Behandlung Horst Mahlers schildert der Autor Holger Strohm in seinem Buch Demokratie in Gefahr sehr anschaulich:
„In Haft wurde ihm eine ausreichende medizinische Behandlung verweigert. Als Folge erkrankte er an Diabetes, Herzschwäche, Niereninsuffizienz und Blutvergiftung. Wochenlang rangen Ärzte auf der Intensivstation um sein Leben und mußten ihm ein Bein amputieren. Die Züricher Weltwoche schrieb am 13. Juli 2015, daß in Deutschland wegen harmloser Meinungsdelikte die Todesstrafe auf Raten vollstreckt wird, während sich das Regime einer unerträglichen Doppelmoral befleißige.
Gegen den Protest der Staatsanwaltschaft München II und der Justizvollzugsanstalt Brandenburg a. d. Havel setzte Amtsrichter Ligier den 79-järigen schwerkranken Mahler auf freien Fuß. Er warf der Staatsanwaltschaft und der BRD eine Mißachtung elementarer Menschenrechte und eine dem Rechtsstaat unwürdige Haltung vor. In Anbetracht der Menschenwürde und Wahrung der Grundrechte, die auf schwerwiegende Art und Weise verletzt werden/wurden, müsse man den zu 12 Jahren Verurteilten nach Verbüßen 2/3 seiner Strafe auf freien Fuß setzen. Diese Strafvollstreckung sei eines Rechtsstaates nicht würdig und zudem verboten.
Doch der Staat führte seinen Vernichtungsfeldzug fort und versuchte den schwerkranken Mahler von der Intensivstation in ein Irrenhaus zu überführen; ließ ihm wiederholt die Konten sperren. Die Justizvollzugsanstalt Brandenburg ignorierte das Urteil des Richters und lud Mahler zum erneuten Haftantritt vor. Mahler kündigte in einer Video-Botschaft an, daß er nicht zurück ins Gefängnis gehe und Asyl in einem anderen Land beantrage. Die deutschen Medien schwiegen den Skandal tot. Nur der Tagesspiegel und die Potsdamer Nachrichten verwiesen auf schwerste Rechtsbrüche der Justizbehörden und – besonders pikant – des Pflichtverteidigers zum Nachteil Horst Mahlers. Solche Vorkommnisse wecken Zweifel an der Demokratie, und Die Zeit kommt zu dem Schluß, daß unsere Zeit düsterer sei als das Dritte Reich: sogar die nationalsozialistische Gesellschaft, schreibt Harald Welzer, habe Juden soziale Räume des Überlebens geboten.(…).“ [„Die smarte Diktatur – Der Angriff auf unsere Freiheit“, Harald Welzer; Zeit-Online vom 18. 6. 2016, d.V.].
Bekanntlich bat Mahler in Ungarn um Asyl, wurde dort ausgeliefert und wieder inhaftiert. Er erkrankte erneut schwer und mußte wieder auf die Intensivstation eingewiesen werden. Nicht einmal seine Frau wurde zu ihm gelassen. Schließlich sollte ihm auch das andere Bein amputiert werden, was er aber ablehnte, weil eine zweite Beinamputation wahrscheinlich seinen Tod bedeuten würde. Jetzt aber hat sich des Gefangenen Zustand dramatisch verschlechtert. Er lehnt jede weitere medizinische Versorgung ab und wird nur noch palliativ versorgt.
Nun liegt Ihnen, der zuständigen Staatsanwaltschaft München schon seit Anfang November ein Gnadengesuch der Justizvollzugsanstalt Brandenburg a. d. Havel vor, das Sie, wie jetzt bekannt wurde, verschleppen, obwohl jeden Tag mit Mahlers Tod gerechnet werden muß. Sie, die Verantwortlichen der Staatsanwaltschaft München II sowie die Verantwortlichen der JVA Brandenburg a. d. Havel tragen durch Ihren Protest und Ihr Verhindern der von Amtsrichter Ligier eingeleiteten rechtlich gebotenen Strafaussetzung eine Mitschuld an dem durch die Haft maßgeblich begünstigten schlechten Gesundheitszustand Horst Mahlers. Die Verantwortlichen der JVA Brandenburg hatten durch ihr Gnadengesuch immerhin ein Einsehen, wenngleich auch ein sehr, vielleicht ein zu spätes. Sollte Horst Mahler aber als Gefangener sterben, weil die Verantwortlichen der Staatsanwaltschaft München II die Menschlichkeit weiterhin nicht achten, indem Sie das Gnadengesuch nicht sofort umsetzen, dann laden Sie sich eine Mitverantwortung für den Tod eines in der Gefangenschaft Sterbenden auf Ihre Schultern; eine Mitverantwortung, für die Sie einmal zur Rechenschaft gezogen werden. Es geht nämlich nicht an, daß gerade die Staatsanwaltschaft München II bei ihren pausenlosen Anklagen gegen politisch Andersdenkende (wie erst jüngst der Falle der Geschwister Schäfer gezeigt hat) den Angeklagten „Haß“ als Triebfeder ihrer Meinungsäußerung vorwirft, selber aber aus Haß sogar einen Sterbenden nicht freilassen will. Darüber kann ein rechtlich denkender und sich nach Gerechtigkeit sehnender Mensch nur Wut und Verachtung empfinden. Jetzt werden Sie auch verstehen, daß es mir nicht möglich war, selbst nur die formale Anrede „Sehr geehrte…“ im Briefkopf anzuwenden.
gez.
R. Heuschneider
Dieser offene Brief geht mit gleicher Post an die JVA Brandenburg a. d. Havel.